Einzelhandel-Trends: Digitalisierung, mobiles Bezahlen und China auf dem Vormarsch

Zukunftstrends im Handel waren das Thema des jüngsten Rüsselsheimer Fachgesprächs, zu dem Oberbürgermeister Udo Bausch den Einzel- und Großhandel in Rüsselsheim eingeladen hatte. „Handel ist Wandel. Das gilt heute mehr denn je“, sagte Bausch anlässlich seiner Begrüßung der rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Wer aber die künftigen Trends kennt, kann notwendige Veränderungen rechtzeitig einleiten“, stellte Oberbürgermeister und Wirtschaftsdezernent Bausch fest. Aus seiner Sicht würden insbesondere die Entwicklungen im Online-Handel die aktuellen Impulse im Einzelhandel setzten. Dies zeige sich für ihn an der geplanten Ansiedlung von IKEA in Rüsselsheim. Das schwedische Möbel- und Einrichtungshaus hat Gewerbeflächen von Opel aufgekauft, um mit einem Warenverteillager in Rüsselsheim physisch dichter an seinen Online-Kunden der Rhein-Main-Region zu sein. Wenn der Online-Handel also näher an die Menschen rückt, was kann dann der stationäre Handel dem entgegensetzen? „Mit dem heutigen Einzelhandelsfachgespräch möchte ich Ihnen dazu Wege zeigen“, erklärte Bausch.

Die gute Nachricht, die Karen Ferdinand von der Unternehmensberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG über die „Trends im Handel 2025“ zu berichten hatte: Drei von vier Kundinnen und Kunden (74 Prozent) wollen auch zukünftig noch stationär einkaufen. Die andere Wahrheit: Der Online-Handel holt stark auf. Mit 523,6 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2018 wird beim Einkaufen in den Geschäften zwar nach wie vor zehnmal mehr Geld als beim Kauf übers Internet (53,6 Milliarden Euro) umgesetzt, dafür wächst der Anteil der elektronische Käufe deutlich schneller. Während der Einzelhandel in den vergangenen zwei Jahren nur noch um zwei Prozent gewachsen sei, habe das Online-Shopping um zehn Prozent zugenommen. Und für die kommenden fünf Jahre sieht Handelsexpertin Ferdinand den Vorsprung weiter schmelzen.

Digitale Datensammler treiben die Entwicklung voran Treiber des Wachstums sei aber – egal ob stationär oder online – die konsequente Ausrichtung auf die Kundschaft und das Entwickeln einer ganzheitlichen Sicht auf Basis von Konsumentendaten („Customer Centricity“). Mit der Entwicklung der sozialen Medien und Big-Data-Technologien entstünden ganz neue Möglichkeiten, das Einkaufsverhalten zu beeinflussen. Je besser ein Händler die Daten seiner Kundschaft sammeln und auswerten könne, umso besser könne er die Kundenbedürfnissen befriedigen, so die Botschaft der KPMG-Trendstudie.

Offline- und Onlinewelten wachsen zusammen „Kunden erwarten dabei zunehmend die Verknüpfung beider Welten, online wie offline“, wie KPMG-Beraterin Ferdinand erklärte. Dazu zählten digitale Serviceangebote, wie Warenbestände im Laden online prüfen, der eigene Webshop des Händlers, ein WLAN-Angebot im Laden oder Terminals zur Produktinformation vor Ort. Gleichzeitig möchten viele Käuferinnen und Käufer von den Möglichkeiten Gebrauch machen, online kaufen und später im Laden retournieren zu können oder im Laden zu shoppen und die Waren nach Hause liefern zu lassen. Die zentrale Herausforderung in den nächsten Jahren sei daher, so Karen Ferdinand, ein „Omni-Channel-Konzept“ zu entwickeln.

Digitalisierung des Bezahlens schreitet schnell voran Mit den Veränderungen im Einkaufsverhalten gehen auch Änderungen in den Zahlungsgewohnheiten einher. Darüber berichtete Patrick Wendling von Wirecard, einem im DAX gelisteten und auf Payment spezialisierten Technologieunternehmen. „Zwar werden aktuell noch rund 80 bis 85 Prozent der weltweiten Transaktionen in bar und nur 15 bis 20 Prozent elektronisch getätigt, aber 2018 haben in Deutschland mit 209 Milliarden Euro erstmals die Kartenumsätze die Bargeldtransaktionen überholt“. Die Dynamik der Verschiebung bei den Zahlungstypen von Bargeld zu Plastik oder Digital werde sich dabei beschleunigen, je weiter die vollständige Digitalisierung der elektronischen Transaktionen zunähme (derzeit zwischen acht und zehn Prozent). Vor allem mobile Bezahlmöglichkeiten über das Smartphone treiben dabei die Entwicklung voran. Zwei technische Systeme seien dabei führend: Mit NFC (Near Field Communication) steht eine kontaktlose Kartentechnologie zur Verfügung, bei der der Kunde sein Smartphone einfach wenige Sekunden an ein NFC-fähiges Kartenlesegerät hält. Bekannte Dienste sind beispielsweise Google Pay und Apple Pay. QR-Codes sind ein anderer, weit verbreiteter Übertragungsstandard für mobiles Bezahlen. Nahezu alle Smartphones sind heute in der Lage, QR-Codes zu lesen, unabhängig vom jeweiligen Betriebssystem. Vor allem in China und Asien gebräuchliche Payment-Apps wie Alipay und WeChat Pay sowie zunehmend in den ehemaligen Ostblockstaaten verbreitete Bezahldienste arbeiten damit.

Chinesen sind führend beim mobilen Bezahlen Auf die Vorreiterrolle Chinas bei den mobilen Bezahlsystemen ging dann Sarah Buchwieser noch näher ein. Sie arbeitet für die Safety Tax Free GmbH aus München, die sich auf Dienstleistungen für chinesische Kunden spezialisiert hat. Inzwischen würden in China mehr als die Hälfte (54 Prozent) aller Bezahlvorgänge mobil getätigt, was einem Umsatzvolumen von 19 Billionen Euro entspräche. Alipay und WeChat Pay teilten sich dabei den Markt mehr oder weniger vollständig untereinander auf (93 Prozent Markanteil). Was auch damit zusammen hänge, dass dahinter mit Alibaba und WeChat zwei Online-Dienste stünden, die in Größe und Umsatz mit Amazon und WhatsApp vergleichbar seien. Buchwieser empfahl den anwesenden Händlerinnen und Händler, sich diese Bekanntheit bei den chinesischen Touristinnen und Touristen nutzbar zu machen. Aktuell würden 1,5 Millionen chinesische Besucherinnen und Besucher jährlich nach Deutschland kommen, in den nächsten zehn Jahren rechne sie sogar mit rund 5 Millionen. „Chinesische Touristen sind Shopping-Weltmeister, sie hinterlassen pro Europareise rund 3.240 Euro in den Geschäften. Wer ihnen ihr bekanntes mobiles Bezahlsystem anbietet, kann auf Umsätze hoffen.“

Oberbürgermeister Udo Bausch wies darauf hin, dass auch der Rüsselsheimer Einzelhandel von diesem Trend profitieren könne, wenn die Einkaufs- und Bezahlmöglichkeiten einfach gehalten seien. „2018 waren die mit Abstand beiden größten Besuchergruppen in Rüsselsheim Menschen aus Fernost sowie Reisende aus China. Rund 50 chinesische Besucherinnen und Besucher und mindestens noch mal so viel aus anderen asiatischen Ländern besuchen täglich Rüsselsheim Das ist ein enormes Handelspotenzial für Rüsselsheim.“

Quelle: Stadt Rüsselsheim am Main/Isabella Groth. Foto: Gastgeber Oberbürgermeister Udo Bausch begrüßt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Rüsselsheimer Fachgesprächs „Trends im Einzelhandel“.